Was ist gut? Was ist böse? Die Ethik hat im abendländischen Denken der letzten 2’500 Jahre viele Antworten darauf gegeben. Hören Sie die Hauptwerk als Hörbücher.
Platon (428/427 v.Chr. bis 348/347 v.Chr.) ist einer der einflussreichsten Philosophen in der Geschichte des abendländischen Denkens. Er war Schüler von Sokrates und Lehrer von Aristoteles, die alle drei zusammen die wohl bedeutendsten Philosophen der Antike waren.
In Form literarisch und pädagogisch raffinierter Dialoge zwischen seinem Lehrer, Sokrates, und athenischen Mitbürgern, schildert Platon die Suche nach der Definition von Begriffen wie Gerechtigkeit, Tugend, Wissen, Sprache, Liebe, Lust, Vernunft, das Gute und das Schöne.
Die meisten Dialoge schildern Gespräche von Sokrates vor, während und nach seiner Verurteilung zum Tode im Jahr 399 v.Chr. – für den damals knapp 30-jährigen Platon das traumatische Ereignis eines Märtyrers Todes.
Die Hintergründe seiner Verurteilung erklärt Sokrates in seiner Verteidigungsrede – seiner Apologie – eindrucksvoll selbst:
Sokrates sei von der Seherin Pythia in Delphi als der Weise unter allen Menschen erklärt worden, weil er als Einziger erkannt habe, nichts zu wissen. Im Unglauben an seine Sonderstellung habe Sokrates mit vielen Staatsmänner, Dichtern, Handwerkern und anderen einflussreichen Persönlichkeiten in Athen Gespräche geführt und feststellen müssen, dass diese wirklich nicht nur nichts wissen, sondern sich ihrer Unwissenheit nicht einmal bewusst seien. Die Bloßstellung dieser teils mächtigen Persönlichkeiten in Athen sei Sokrates zum Verhängnis geworden.
So hört man in den Dialoge, die zeitlich vor Sokrates’ Verurteilung stattfinden, wie beispielsweise Gorgias, Protagoras, Phaidros, Euthyphron einen Sokrates, der in seiner Suche nach Wahrheit auf Spott, Unverständnis oder sogar Aggression seiner Mitbürger stösst.
Vor dem Hintergrund oder besonderer Örtlichkeiten aktueller Geschehen beginnt fast jedes philosophische Gespräch damit, dass sich der Gesprächspartner von Sokrates seiner Sache sicher ist oder sich sogar über den unwissenden Sokrates lustig macht. Doch die Fragen des Sokrates zu scheinbaren Selbstverständlichkeiten führen schließlich in die Ratlosigkeit, in die «Aporie». Der Diskurs endet meist ohne inhaltlich widerspruchsfreie Definition des Begriffes, um den es geht.
Wiederum andere Dialoge spielen nach der Verurteilung des Sokrates im Gefängnis statt, kurz vor der Hinrichtung durch den Trank des tödlich giftigen Schierlingbechers. Bemerkenswert sind hier insbesondere der Dialog Kriton (Soll man Gesetzen, bzw. der Verurteilung folgen?) und der Phaidon (Von der Unsterblichkeit der Seele).
Im Phaidon wird die Stunde der Hinrichtung von Sokrates erzählt, in dem er sich zur Überraschung aller anwesenden Schüler völlig furchtlos, fast schon erfreut über den bevorstehenden Tod äußert und seine Gelassenheit in diesem furchtbaren Moment philosophisch eindrucksvoll erklärt.
Platon Philosophie wird meist mit seiner Ideenlehre gleichgestellt. Dabei geht es um die philosophische Konzeption, welche die Existenz von Ideen oder Formen jenseits der sinnlich wahrnehmbaren Welt postuliert. Diese Ideen sind die eigentlichen Realitäten und bilden das Fundament der materiellen Welt. Die Ideen sind unveränderlich, vollkommen und ewig. Vereinfacht erklärt, ist die sinnlich wahrnehmbare Welt nur ein Abbild dieser Ideen.
Die Erkenntnis dieser Ideen ist durch philosophische Reflexion und intellektuelle Einsicht möglich und führt zu höherer Erkenntnis und Weisheit.
Zur Vorstellung, dass Platon eine solche Ideenlehre propagiert habe, verführt insbesondere sein Hauptwerk, die Politeia oder über das Gerechte, und im Speziellen das Höhlengleichnis, das die Geschichte von Gefangenen in einer Höhle beschreibt, welche schließlich befreit und ins Freie entlassen werden, wo sie die Sonne, die Wahrheit, endlich erblicken.
Auch im Symposion, einem Festgelage, an dem es um den Eros, die Liebe, geht, entwickelt Sokrates die Idee des Guten als höchste aller Ideen.
Zudem nährt sich die Vorstellung von Platon als Verfechter einer Ideenlehre nicht zuletzt auch von der Kritik seines bekanntesten Schülers, Aristoteles, der die Ideen als etwas erklärte, was eben nicht losgelöst von einem Gegenstand, sondern als Formen der Dinge selbst existierten.
Hört man sich die Platon-Dialoge an, entstehen jedoch erhebliche Zweifel an dieser bereits viele Jahrtausende alten Interpretation von Platon als Gläubiger einer Lehre transzendenter Ideen.
Zum einen enden sehr viele Dialoge in der Ratlosigkeit, der Aporie. Die angebliche Idee wird also nicht wirklich gefunden. – Ja, sie wird überhaupt noch gesucht: Die meisten Dialoge geben keine abschließende Antwort auf die Frage nach den zur Diskussion stehenden, philosophischen Begriffen, sondern schildern lediglich die erfolglose Suche danach.
Im Gegensatz zu späteren Philosophen schreibt Platon keine Abhandlungen, sondern schreibt dialektische Gespräche nieder: Es werden Thesen und Antithesen besprochen, die schließlich zu neuen Thesen führen, die jedoch kaum je einer genauen Prüfung standhalten.
Sokrates selbst wird von der Seherin in Delphi deshalb als der «Weise unter den Menschen» bezeichnet, weil er eben als einziger seine Unwissenheit einsehe; also auch und vor allem die Unwissenheit über die Ideen.
Im Dialog «Parmenides», einem späten, besonders schwierigen und kaum verständlichen Diskurs, macht sich Platon über die Ideenlehre sogar lustig. Anders als in anderen Dialogen ist der noch junge Sokrates seinem Gesprächspartner Parmenides unterlegen.
Wer die Platon-Dialoge wirklich hört, wird vor allem eins feststellen:
Platon war, wie sein Lehrer Sokrates, ein Suchender.
Platon Philosophie ist keine abgeschlossene, kohärente oder gar einfache Theorie, die sich schnell widerlegen ließe. Im Gegenteil: Die Dialoge zeigen eine systematische Skepsis gegen jedes Vorurteil und vorschnelle Schlussfolgerungen. Sokrates wendet sich zwar regelmäßig und entschieden gegen die Sophisten, die eine Form antiken Relativismus vertreten, bleibt jedoch oft im Dunkeln darüber, was als «Wahrheit» wirklich feststeht.
Konsequenterweise sollte man Platon Philosophie mehr als das sehen, was Wittgenstein viel später und in einem etwas anderen Kontext bemerkt hat: «Die Philosophie ist keine Lehre, sondern eine Tätigkeit.»
Vor diesem Hintergrund ist und bleibt Platon zeitlos als Philosoph, als Suchender relevant.
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