Die ersten drei Reden in Platons Symposion
Nach einer längeren, für Platon typischen Einleitung – gleichsam der Eingang zu einem Heiligtum –, beginnt der junge Phaidros.
Phaidros ist Platon-Kennern aus dem gleichnamigen Dialog «Phaidros» bekannt, in dem das berühmte Bild der Seele als von zwei Pferden – Vernunft und Begierde – getriebener Wagen dargestellt wird.
Nach Phaidros’ Ansicht ist der Eros, die Liebe, der Beweggrund für tugendhafte Taten.
Nach Phaidros erhält Pausanias das Wort. Pausanias unterscheidet zwischen der himmlischen und gemeinen, irdischen Göttin der Liebe. Moderner formuliert: zwischen sexuellen Begierden und dem Streben nach Höherem.
Die schöne Form der Liebe richtet sich nach Pausanias auf Tugend und Weisheit.
Nach Pausanias kommt eigentlich der berühmte Komödiendichter Aristophanes an die Reihe – leider ist er, seiner typisch komischen Art entsprechend von einem heftigen Schluckauf geplagt, gerade außer Stande zu sprechen: Ein raffinierter Trick Platon’s, um zunächst den eher nüchteren Arzt Eryximachos zur Sprache kommen zu lassen und auf die Rede von Aristophanes aufmerksam zu machen.
Eryximachos, ganz Naturwissenschaftler, erklärt, wie der Eros nicht nur den Menschen, sondern die gesamte Natur bestimmt: Die Liebe ist überall!
Die bessere Hälfte – Aristophanes und der Mythos der Kugelmenschen
Der vom Schluckauf nunmehr befreite Aristophanes erhält nun doch das Wort: Ein erster Höhepunkt in Platons’ Symposion.
Nach Aristophanes liebt Eros, der Gott der Liebe, den Menschen mehr wie alle anderen Götter.
Das Problem:
Eros, die Liebe, wird von den Menschen zu wenig wertgeschätzt. Das sehe man daran, dass zu wenig Heiligtümer für diesen so menschenliebenden Gott errichtet worden sein.
In dieser zu geringen Wertschätzung sieht Aristophanes den Grund, weshalb es überhaupt zwei Geschlechter, Mann und Frau, gebe: Ein an sich unnötige Komplexität der Natur.
Aristophanes erzählt in seinem berühmten Mythos der Kugelmenschen, wie es so weit kommen konnte:
Eins waren Mann und Frau nicht zwei, sondern nur ein miteinander verbundenes Wesen, mit vier Beinen, vier Armen und der Form eine Kugel: Kugelmenschen.
Die beiden Hälften stammten von der Sonne – der Mann – und vom Mond – die Frau – ab: Zwei ineinander verwobene Prinzipien.
Es gab jedoch auch gleichgeschlechtliche Kugelmenschen: Zwei ineinander verwobene Männer oder Frauen.
Wie so oft, überfiel diese Kugelmenschen eine gefährliche Hybris: Sie beschlossen, die Götter anzugreifen.
Ein schwerer Fehler, denn prompt beschlossen die Götter, die Kugelmenschen in zwei Hälften zu entzweien, was denn auch Apollon, der Gott der Weisheit, klug vollbrachte.
Seither suchen die Menschen immer ihre andere Hälfte.
Im sexuellen Akt findet die Vereinigung am Offensichtlichsten statt.
Noch heute sprechen wir landläufig von der «besseren Hälfte», was wohl auf Aristophanes zurückgeht.
Je nachdem, ob ein Kugelmensch aus zwei gleich- oder andersgeschlechtlichen Teilen bestand, haben Menschen auch das Bedürfnis nach homo- oder heterosexuellen Bedürfnissen.
Die Rede Agathons: Der Eros ist der schönste Gott
Nach der gewaltigen Rede des Komödiendichters Aristophanes ist der Hausherr Agathon an der Reihe:
Für Agathon ist Eros der schönste und herrlichste aller Götter.
Eros strebt nach den wichtigsten Tugenden wie Gerechtigkeit, Besonnenheit, Tapferkeit und Weisheit ausgestattet und kann als ihr Ursprung gesehen werden.
Sokrates Widerlegung der Meinung Agathons: Eros ist nicht schön und sogar überhaupt kein Gott
Sokrates, der weiseste aller Menschen, mischt sich nun ein und widerlegt den Gastgeber des Symposions Agathon auf clevere Weise:
Wie kann Eros schön und tugendhaft sein, wenn er doch noch danach strebt?
Liebe begehrt etwas, was sie noch nicht hat:
Wenn sie demnach das Tugendhafte begehrt, kann sie selbst noch nicht tugendhaft sein.
Überraschende Schlussfolgerung:
Liebe und Vollkommenheit schließen einander aus.
Sokrates eigentliche Rede und Höhepunkt in Platons Symposion: Die Lehren der weisen Diotima
Sokrates Rede ist das Herzstück des Symposions.
In seiner Rede erzählt der weise Sokrates von den Lehren einer noch viel weiseren Gestalt: Die Hetäre Diotima.
Diotima sei es gewesen, die Sokrates in Liebesdingen unterrichtet hat; sowohl in sexueller wie in intellektueller Hinsicht.
Zunächst stellt Diotima klar, dass Eros, die Liebe weder schön noch hässlich sei, weil sie eben nach anderem strebe und daher selbst nicht als vollkommen bezeichnet werden könne.
Eros ist nicht einmal ein Gott. Aber auch kein Mensch.
Eros ist ein Dämon zwischen der Götter- und der Menschenwelt.
Nebenbemerkung für Platon-Kenner: Der Dämon ist wohl die Wesenheit, die Gottheit, die Sokrates sein ganzes Leben angetrieben hat, nach Wahrheit zu suchen. Insbesondere in Platons «Apologie des Sokrates» wird später klar, dass das Sokrates zum Verhängnis – oder eben nicht – wurde.
Die eigentliche Erkenntnis Diotimas:
Die Liebe, der Eros, strebt nicht zum Schönen, sondern, danach Schönes zu erzeugen.
Das Schöne und das Gute sind dabei identisch.
Etwas vereinfacht formuliert:
Liebe besteht darin, in anderen Gutes zu erzeugen.
Je nach Entwicklungsstufe wird verschiedenes «Gutes erzeugt»: Die Liebe beinhaltet verschiedene Erkenntnisstufen und Stufen der Vollkommenheit, die Sokrates als Erzähler der Diotima-Lehren in inspirierender Weise zu erzählen weiß.
Der Abschluss des Symposions: Die Liebeserklärung an Sokrates durch Alkibiades
Nach der ergreifenden, weisen Rede des Sokrates, sind alle Teilnehmer verständlicherweise verzückt und unfähig, klügeres zum besten zu geben.
Platon schafft es dann doch, diese «Blockade» aufzuheben:
Plötzlich torkelt unter lärmigen Umständen der schon sehr betrunkene Alkibiades samt einer Flötenspielerin in die Runde hinein.
Alkibiades erfährt vom Thema und hält keine Rede auf die Liebe im Allgemeinen, sondern auf seine Liebe zu Sokrates.
Das Gastmahl wird von Platon also geschickt für ein Liebesbekenntnis zu einem für Alkibiades, ihn und alle Philosophen der Nachwelt wichtigen Menschen genutzt:
Sokrates.
Alkibiades macht sich zwar über das Aussehen von Sokrates lustig, lobt dafür aber seine Tapferkeit in der Schlacht, die Klugheit seiner Reden und seine Weisheit.
Damit endet schliesslich ein einzigartiges Meisterwerk der Liebesliteratur und Philosophiegeschichte.
Weitere Informationen
Der Text folgt der Übersetzung durch Otto Apelt von 1925. In der Kapitelbeschreibung des Hörbuches steht jeweils in eckigen Klammern die Stephanus-Paginierung des griechischen Originaltextes zur besseren Orientierung im Studium.
Mehr Informationen zu diesem Dialog findest Du auf Wikipedia im Artikel «Symposion».
Wir empfehlen zur Lektüre des «Symposion» die Ausgabe des Meiner Verlages für Philosophie.
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