Über Stefan Zweig’s «Amerigo
Das Werk ist nach dem Tod Stefan Zweigs posthum zuerst im Jahr 1944 erschienen.
Worum es in diesem Werk geht, erklärt Stefan Zweig selbst in der Einleitung am besten:
Nach welchem Manne ist Amerika »Amerika« benannt?
Diese Frage beantwortet schon jedes Schulkind stramm und unbedenklich: nach Amerigo Vespucci.
Aber die zweite Frage wird selbst die Erwachsenen schon zögernder und unsicherer finden, die Frage: Warum eigentlich wurde dieser Weltteil gerade auf Amerigo Vespuccis Vornamen getauft?
Weil Vespucci Amerika entdeckte?
Er hat es niemals entdeckt!
Oder vielleicht, weil er als erster statt bloß der vorgelegenen Inseln das eigentliche Festland betreten? Auch deshalb nicht, denn nicht Vespucci hat als erster den Kontinent betreten, sondern Columbus und Sebastian Cabot.
Also dann vielleicht, weil er trügerisch behauptet hat, als erster hier gelandet zu sein?
Vespucci hat nie diesen Rechtstitel bei irgendeiner Instanz angemeldet.
Oder weil er als Gelehrter und Kartograph diesen seinen Namen für dieses Land ehrgeizig vorgeschlagen?
Nein, auch dies hat er niemals getan und wahrscheinlich zeit seines Lebens nie von dieser Namensgebung erfahren.
Aber warum, wenn er nichts von all dem geleistet, warum fiel gerade ihm die Ehre zu, seinen Namen für alle Zeiten zu verewigen? Warum heißt dann Amerika nicht Columbia, sondern Amerika?
Wie dies kam, ist ein richtiger Rattenkönig von Zufällen, Irrtümern und Mißverständnissen, diese Geschichte eines Mannes, der auf Grund einer Reise, die er nie gemacht hat und die gemacht zu haben er selbst nie behauptet hat, den ungeheuren Ruhm erbeutete, seinen Vornamen zum Namen des vierten Weltteils unserer Erde zu erheben.
Seit vier Jahrhunderten verwundert und verärgert diese Namensgebung die Welt. Immer wieder wird Amerigo Vespucci beschuldigt, durch unlautere und dunkle Machinationen diese Ehre sich heimtückisch erschlichen zu haben; und vor immer neuen gelehrten Instanzen ist dieser Prozeß wegen »Betrugs auf Grund Vorspiegelung falscher Tatsachen« abgehandelt worden.
Die einen haben Vespucci freigesprochen, die andern ihn zu ewiger Schande verurteilt, und je apodiktischer seine Verteidiger ihn für unschuldig erklärten, um so leidenschaftlicher haben seine Gegner ihn der Lüge, der Fälschung und des Diebstahls bezichtigt.
Heute füllen diese Polemiken mit allen ihren Hypothesen und Beweisen und Gegenbeweisen schon eine ganze Bibliothek; den einen gilt der Taufpate Amerikas als »amplificator mundi«, als einer der großen Erweiterer unserer Welt, als Entdecker, als Seefahrer, als Gelehrter hohen Ranges, den andern als der frechste Betrüger und Gaukler in der Geschichte der Erdkunde.
Auf welcher Seite liegt die Wahrheit – oder sagen wir vorsichtiger: die äußerste
Wahrscheinlichkeit?
Weitere Informationen
Mehr Informationen sind auf Wikipedia in folgendem Wikipedia-Artikel verfügbar: «Amerigo Vespucci».
Wir empfehlen zur Lektüre empfehlen wir die Ausgabe des Schönings Verlages.
Weitere Werke findest Du hier: Stefan Zweig: Hörbücher.
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Sprecherin: Marit Persiel